Von Robin Klöppel (NNP Artikel vom 13.08.2012, 03:16 Uhr)
Größen des Hardcore- und Punk-Genres aus den USA und Australien versetzten Fans beim Tells-Bells-Festival in Euphorie
Das Tells-Bells-Festival des Vereins Villmar Kult am Freitag und Samstag auf der Villmarer Tells-Wiese war wieder eine Supersache. Tolles Wetter, wie erwartet zusammen zirka 6000 Fans und 18 Bands von um die Ecke bis USA und Australien, die dem jungen Publikum so richtig einheizten, ergaben bei zuschauerfreundlichen Preisen den passenden Mix.
Villmar.
Dass das Festival auch bei der Villmarer Erwachsenenwelt mittlerweile hohes Ansehen genießt, bewies die Tatsache, dass zahlreiche Ortsvereine hinter der Theke mithalfen. Es ist schon erstaunlich, was Villmar Kult über die Jahre etabliert hat. Auf einer Wiese, die nach früheren Freilichtheaterspielen des Stückes Wilhelm Tell ihren Namen trägt und auf der jahrelang die örtlichen Fußballer dem runden Leder nachjagten, geben sich nun Hardcore-Größen aus New York City und Down Under die Ehre.
Als sie zum Abendessen im Rathauseck aufkreuzten, wurden die US-amerikanischen Legenden von Madball jedenfalls wie Außerirdische bestaunt. Für den nicht Eingeweihten mag deren Kunst zunächst eher wie dumpfes, lautes Grölen in ein Mikro mit Zügen des Balzverhaltens aus dem Reich der Tiere klingen. Doch für die Wissenden ist sie die einzig wahre Religion. Es ist kaum zu glauben, dass die Madball-Formation um Frontmann Freddy Cricien bereits vor 24 Jahren diesen Stil in der Weltmetropole prägte, den unzählige andere Bands über die Jahre übernahmen und deren Wirkung junge Massen heute noch in Extase versetzt. Freitagabend war es deutlich zu spüren.
Während es vorher Stunden lang eher beschaulich auf dem Gelände zugegangen war, standen plötzlich mehrere 100 Hardcore-Fans vor der Bühne. Sie grölten mit, tanzten wild herum und beschäftigten damit massiv die zuvor einen eher beschaulichen Nachmittag verlebenden Security-Leute. Denn sie machten sich einen Spaß daraus, immer wieder blitzschnell die Bühne zu entern, um dann, möglichst ohne geschnappt zu werden, als tollkühne Stagediver wieder ins Publikum zu hüpfen.
Friedliche Party
Das Spiel des Publikums blieb aber eines. Denn das Tolle an dem Festival ist, dass alles völlig aggressionsfrei abläuft. Wenn veranstaltungserfahrene Gäste bestätigten, dass hier weniger Zoff als bei jeder Dorfkirmes herrscht, ist das ein großes Kompliment. Klar, viele der Musiker pflegen ihr „Böser-Bube-Image“. Und nicht jedes F-Wort von der Bühne war jugendfrei. Doch auf dem Gelände waren fast nur sympathische, lockere junge Menschen anzutreffen, die nur friedlich das Gemeinschaftsgefühl leben, Musik nach ihrem Geschmack hören und ein wenig Party machen.
Dass bei so vielen Leuten auch einige dabei sind, die vielleicht zu früh schon zuviel Hochprozentiges konsumieren und dadurch die Kontrolle über sich verlieren, lässt sich sicherlich nicht ganz vermeiden. Schade eigentlich, denn ein bisschen laute Musik aus Autoradios werden großzügige Nachbarn einmal im Jahr tolerieren, aber die Müllberge im Parkplatzbereich mit zahlreichen zerbrochenen Flaschen mussten bei genügend Mülleimern auf dem Gelände nicht sein. Sie machten nur unnötige Arbeit, zum Beispiel den Aktiven des Verschönerungsvereins
Zu 98 Prozent überwiegt aber das Positive bei Tells Bells, und so steht es für die Villmarer außer Frage, dass das Festival auch die kommenden Jahre in gewohnter Form fortgeführt wird.
Neben Madball war es vor allem Freitag die zweite US-Hauptband H20, die das Herz des Publikums am meisten erreichte. Ebenfalls viele Fans hatten die keineswegs ihrem Namen entsprechenden Heideroosjes aus den Niederlanden auf ihrer Abschiedstour. Bei aller aus Fansicht berechtigter Euphorie über die Hauptbands war ein bisschen schade, dass im Vorprogramm die eine oder andere Gruppe etwas unterging. Dabei gab es durchaus Gruppen, die musikalisch Interessantes zu bieten hatten.
Entspannte Stimmung
So wie zum Beispiel der irische Folk-Punk der Schweden von „Sir Reg“, oder das von der Ska-Gruppe „Awaiting Crunch“ erzeugte lockere Urlaubsfeeling. Aber sie hatten auf diesem „Schlachtfeld“ keine Chance gegen die Urgewalt der anderen, die auch Samstag die Szenerie beherrschten. Wie die „Aussies“ von „Deez Nuts“, die Amis von „First Blood“ oder die Skandinavier von „Atlas Losing Grip“. Für viele schien die Musik gar nicht das Wichtigste gewesen zu sein. Denn während die Hardcore-Fans vorne grölten, genossen die meisten anderen einfach relaxed die Festivalstimmung im Gras liegend oder mit kühlen Getränken am Tisch sitzend mit Freunden.
Villmar Kult kann man nur dafür bewundern, dass der kleine Verein sich in Sachen Professionalität mittlerweile eindeutig mit den Profis der Veranstalterszene messen kann. Mit dem Unterschied eben, dass sich hier keiner selbst die Taschen vollmachen will, sondern die Einnahmen lediglich der Ausgabendeckung dienen und somit Eintritts- sowie Verpflegungspreise vom Taschengeld oder Lehrlingsgehalt bezahlbar sind. Positiv ist auch, dass die Veranstalter versuchen, Autos aus den Seitenstraßen herauszuhalten und die Lärmbeschallung in Grenzen zu halten. Wer den Erfolg des Festivals und die Begeisterung der Menschen vor und hinter der Bühne sieht, der wird kleine Einschränkungen wie manchen Falschparker hinnehmen.